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zivilprozessrecht blog: Konkursbegehren: Wichtige Eckdaten zur Berechnung der 15-monatigen Frist gemäss Art. 166 Abs. 2 SchKG (BGer 5A_190/2023, zur Publikation vorgesehen)

Trümpy Fabienne, in: bratschi Zivilprozessrecht blog, Juli 2024

Das Bundesgericht stellt in seinem Urteil 5A_190/2023 fest, dass die 15-monatige Frist gemäss Art. 166 Abs. 2 SchKG während des Rechtsöffnungsverfahrens stillsteht und ab Zustellung des Rechtsöffnungsentscheids wieder zu laufen beginnt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine provisorische oder definitive Rechtsöffnung handelt. Mit Inkrafttreten der revidierten ZPO ab 1. Januar 2025 beginnt der Fristenstillstand dann wieder zu laufen, wenn der Rechtsöffnungsentscheid ohne schriftliche Begründung zugestellt wurde (Art. 336 Abs. 3 revEZPO).

Ausgangslage: Die Gläubigerin B liess am 4. September 2020 der Schuldnerin A SA einen Zahlungsbefehl über CHF 600'000 zzgl. Zinsen zustellen, woraufhin die A SA Rechtsvorschlag erhob. Mit Beschluss vom 21. Februar 2021 erteilte das Gericht ohne Begründung die provisorische Rechtsöffnung. Der einlässlich begründete Entscheid wurde den Parteien am 16. April 2021 zugestellt. Sowohl die 10-tägige Beschwerdefrist nach Art. 321 Abs. 2 i.V.m. Art. 251 lit. a ZPO als auch die 20-tägige Frist zur Einreichung einer Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs. 2 SchKG sind unbenutzt verstrichen. B reichte das Fortsetzungsbegehren ein, woraufhin der A SA am 14. Juli 2022 die Konkursandrohung zugestellt wurde. Am 2. August 2022 stellte B das Konkursbegehren gegen die A SA. Am 6. September 2022 wurde der Konkurs über die A SA eröffnet.

 

Fragestellung: Das Bundesgericht musste sich in diesem Fall mit der Frage auseinandersetzen, wann der Fristenstillstand nach Art. 166 Abs. 2 SchKG zu laufen beginnt und wann dieser endet. Grundsätzlich kann der Gläubiger nach Ablauf von 20 Tagen seit der Zustellung der Konkursandrohung beim Konkursgericht das Konkursbegehren stellen (Art. 166 Abs. 1 SchKG). Dieses Recht erlischt gemäss Art. 166 Abs. 2 SchKG 15 Monate nach der Zustellung des Zahlungsbefehls. Falls Rechtsvorschlag erhoben wurde, steht diese 15-monatige Frist von der Einleitung bis zur Erledigung des gerichtlichen Verfahrens still. Da ein Gläubiger die Ausstellung der Konkursandrohung (Art. 159 ff. SchKG) nur dann verlangen kann, wenn er die Beseitigung des Rechtsvorschlags mit Urkunde belegt, steht die Frist so lange still, bis der Gläubiger eine öffentliche Bestätigung vorlegen kann, welche die Vollstreckbarkeit des Urteils, mit welchem der Rechtsvorschlag beseitigt worden ist, bestätigt.

 

Zum Fristbeginn: Bezüglich des Beginns der 15-monatigen Frist stellte das Bundesgericht klar, dass im SchKG in Monaten angegebene Fristen am Tag nach der Zustellung zu laufen beginnen (Art. 31 SchKG i.V.m. Art. 142 Abs. 1 ZPO). Im vorliegenden Fall begann der Fristenstillstand somit nicht – wie die Vorinstanz fälschlicherweise annahm – am Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls zu laufen, sondern am Tag danach, d.h. am 5. September 2020 (E. 6.2). 

 

Zum Fristende: Hinsichtlich des Endes der 15-monatigen Frist nach Art. 166 Abs. 2 SchKG war umstritten, ob die Frist ab Zustellung des Rechtsöffnungsentscheids bis zum Ablauf der unbenutzten 10-tägigen Frist zu dessen Anfechtung (Art. 321 Abs. 2 i.V.m. Art. 251 lit. a ZPO) oder bis zum Ablauf der unbenutzten 20-tägigen Frist für die Erhebung der Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) stillsteht. Die entscheidende Frage lautete, ab wann ein Rechtsöffnungsentscheid vollstreckbar ist. Denn die Fortsetzung der Betreibung und die Zustellung der Konkursandrohung setzen einen vollstreckbaren Rechtsöffnungsentscheid voraus (E. 6.3).

 

Das Bundesgericht erwägt, dass – unabhängig davon, ob es sich um eine provisorische oder definitive Rechtsöffnung handelt – ein Rechtsöffnungsentscheid ab seiner Zustellung an die Parteien vollstreckbar ist, zumal dem Rechtsmittel gegen den Rechtsöffnungsentscheid grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, es sei denn, die Rechtsmittelinstanz gewährt eine solche. Da der Gläubiger die Konkursandrohung sofort nach Zustellung des Rechtsöffnungsbeschlusses zustellen kann, endet der Fristenstillstand nach Art. 166 Abs. 2 SchKG zu diesem Zeitpunkt – d.h. ohne vorgängig die 10-tägige Beschwerdefrist bzw. die 20-tägige Frist zur Einreichung einer Aberkennungsklage abzuwarten (E. 6.3.3). 

 

Zuletzt musste das Bundesgericht klären, ab wann ein Rechtsöffnungsentscheid als zugestellt gilt und somit der Fristenstillstand endet, nämlich ob ab dem Zeitpunkt der Zustellung des unbegründeten oder des begründeten Entscheids. Es stellte fest, dass es nach geltendem Recht nicht bundesrechtswidrig ist, sich bezüglich des Endes des Fristenstillstands auf den Zeitpunkt der Zustellung des begründeten Rechtsöffnungsentscheids abzustellen (E. 6.4.4). Das Bundesgericht merkte aber in einem obiter dictum an, dass mit den revidierten Bestimmungen der ZPO per 1. Januar 2025 ein unbegründeter Entscheid unter den Voraussetzungen von Art. 336 Abs. 1 revEZPO vollstreckbar ist und somit der Fristenstillstand inskünftig ab diesem Zeitpunkt endet (E. 6.4.3 f.).

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Truempy Fabienne
Fabienne Trümpy
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